Es ist DAS Highlight des Jahres in Sevilla – schon Wochen vorher gibt es kein anderes Thema mehr in der Stadt! Ich war einige Tage vor Beginn der heiligen Karwoche vor Ort und habe viel gelernt über die Bedeutung der Osterprozession für die Sevillanos. Als Anthropologin ist es für mich natürlich besonders interessant, fremde Kulturen und Bräuche zu studieren. Die Semana Santa ist nicht nur für Einheimische ein wichtiges Event, auch Touristen kommen extra Mitte März in die Stadt. Was es mit den heiligen Osterprozessionen in Spanien auf sich hat erfahrt ihr in diesem Beitrag!
Semana Santa Sevilla: Paso Jesus / Macarena – Copyright: Manon Dolet |
Semana Santa – was, wann, wo?
Von Palmsonntag bis Ostersonntag findet die sogenannte Heilige Woche (Semana Santa) in Spanien statt – die größte und bekannteste Feier ist in der Innenstadt von Sevilla. Die Prozessionen werden von Bruderschaften (Hermandades) organisiert – zu jeder Kirche oder Kapelle gehören eine oder mehrere Hermandades. Ihnen wird ein fester Tag in der Karwoche zugewiesen, an dem ihre Prozession stattfindet. Es gibt einen Stundenplan, der an den meisten Kirchen aushängt und wo auch alle Teilnehmer der Prozession aufgelistet sind – das können mehrere hundert Personen sein. Bei rund 60 Prozessionen in der Karwoche kommen da einige Menschen zusammen…
Jede Kirche in Sevilla hat außerdem ihre eigenen Pasos, das sind Statuen von Jesus oder Maria auf einer rechteckigen Holzplatte. Es gibt einen Paso del Christo, eine Statue die eine Szene aus der Leidensgeschichte von Jesus Christus darstellt. Jeder Paso sieht anders aus, je nachdem welches Motiv er darstellen soll. Die zweite Statue ist der Paso de la Virgen, er stellt die Jungfrau Maria dar und ist mit einem Baldachin bestückt. Diese Pasos sind hunderte Kilo schwer und aus echtem Gold und Silber!
Pasos Monte-Sion Sevilla |
Jede Prozession hat eine festgelegte Reihenfolge: zuerst das Leitkreuz, ebenfalls verziert mit Gold und Silber. Es führt die Prozession an. Dann kommt der erste Teil der Büßer (Nazarenos del Christo). Sie gehen in Zweierreihen und tragen riesige Kerzen und Symbole der Bruderschaft, außerdem leicht gruselige Outfits mit spitzen Kapuzen… Die Gruppe der “penitentes” trägt außerdem Holzkreuze auf den Schultern! Wie ihr auf dem Bild sehen könnt, gehen einige von ihnen barfuß.
Penitentes – Semana Santa in Sevilla – Copyright: Manon Dolet |
Anschließend kommt der Paso del Christo, er wird meist von 40 – 50 Männern (Costaleros) getragen. Ich konnte sie in der Vorwoche nachts in den Straßen beim Üben beobachten und war beeindruckt, wie viele starke Männer es braucht, um diese Statue zu heben… Sie haben ordentlich geschwitzt – während der Semana Santa hängt von den Seiten auch noch ein Samtvorhang herunter, der die Träger verdeckt. Die Temperaturen darunter möchte man sich nicht vorstellen…Manche Hermandades haben ihre eigene Kapelle, die dem ersten Paso folgt und dramatische Musik spielt, die man schon von weitem hören kann. Nach dem Paso del Christo kommt der zweite Teil der Büßer, die Nazarenos de la Virgen, gefolgt vom Paso de la Virgen.
Die Kirche der Hermandades ist der Startpunkt der Prozession, ihr Ziel ist die Kathedrale im Zentrum. Es gibt eine offizielle Strecke, an der Klappstühle und Logen aufgestellt sind, die man mieten kann (als Tourist ist das aber wahrscheinlich schwierig – die Plätze sind Wochen vorher ausgebucht). Nachdem die Pasos in der Kathedrale angekommen ist, halten die Hermandades dort Buße. Danach verlassen sie die Kathedrale und treten in der gleichen Formation den Rückweg in ihr Viertel an.
Nazarenos Semana Santa Sevilla – Copyright: Manon Dolet |
Besondere Pasos und Kirchen
Einige Pasos sind besonders berühmt – beispielsweise die Marienstatue der Macarena-Kirche. Sie ist das absolute Highlight und stellt den Jesus in den Schatten 😉 Wenn die Leute sie während der Prozession sehen, weinen sie und rufen ihr Komplimente zu. Ich habe die Statue einige Tage vor Beginn der Semana Santa in der Kirche besichtigt. Die Einheimischen stehen bereits Schlange, bevor die Kirche öffnet, um sie zu sehen. Ihr Gesicht ist eindrucksvoll, wie man auf dem Foto sehen kann:
Die Macarena-Prozession ist außerdem die längste von allen während der Semana Santa. Viele Stunden zieht sie sich hin, bis die Statue in der Kathedrale ankommt.
Der Paso der Jungfrau Maria (Kirche Macarena) – Copyright: Manon Dolet |
Besonders dramatisch ist auch die Prozession der Kirche Monte-Sión in der Calle Féria, denn die Costaleros müssen die beiden Pasos auf ihren Knien aus der Kirche tragen. Wenn man das Gewicht der Statuen bedenkt.
Monte Sión / Semana Santa in Sevilla – Copyright: Manon Dolet |
Vor dem Paso seht ihr die spitzen Hüte der Nazarenos. Die Kirche Monte-Sión und ihre beiden Pasos habe ich mir ebenfalls angeschaut, als ich in Sevilla war. Sie sind wirklich beeindruckend. Die Kirchenmitglieder sind sehr stolz auf ihre Statuen und hatten nichts dagegen, dass ich sie fotografiert habe.
Und was halten die Einheimischen davon?
Sevillanos sind im Vergleich zu uns Deutschen recht kirchentreu. Sie gehen jede Woche zum Gottesdienst, junge Männer treten schon im Teenageralter den Bruderschaften bei und engagieren sich dort das ganze Jahr über. Die Semana Santa selbst ist ein absolutes Muss bei den Einheimischen. Besonders treue Fans werden „capillitas“ genannt. Sie wissen alles über ihre Bruderschaft und ihre Kirche, die speziellen Verzierungen der pasos, die Prozessionen der letzten Jahre… Und natürlich, wo man den besten Blick hat!
Natürlich gibt es auch Menschen, die von dem ganzen Trubel genervt sind… Erasmusstudenten oder Expats zum Beispiel, also Ausländer die in Sevilla leben und mit diesem Kult wenig anfangen können. Aber auch Einheimische flüchten gern mal während der Osterwoche in andere Regionen Spaniens. Denn wer einigermaßen zentral wohnt, wird draußen ständig auf eine Prozession zu stoßen und dann gibt es kein Durchkommen mehr!
Insider-Tipps für die Semana Santa
Am besten ihr reist schon ein paar Tage vor der Semana Santa an, dann könnt ihr die Statuen der wichtigsten Kirchen bereits vorab besichtigen. Es lohnt sich außerdem, nachts durch die Straßen der Altstadt zu spazieren, denn die Hermandades üben wie zuvor erwähnt bereits Wochen vor der Semana Santa, die schweren Statuen durch die Straßen zu tragen und studieren ihre Kommandos für das Auf- und Absetzen der Pasos ein. Die Statuen selbst sind dann verhüllt, aber man bekommt einen besseren Eindruck von den Trägern und ihrer Technik als während der eigentlichen Prozessionen.
Vorbereitung zur Semana Santa in Sevilla – Übungsrunde mit einem verhüllten Paso |
Holt euch die Semana Santa App fürs Smartphone, in der die genauen Strecken der Prozessionen aufgeführt sind – so wisst ihr, wann ihr wo sein müsst. Ein gutes Indiz sind auch die Samt-Vorhänge an Balkonen – wo eine Prozession entlang gehen wird, schmücken die Sevillanos die Strecke mit Tüchern und Palmzweigen!
Der öffentliche Verkehr ist natürlich massiv betroffen und in der Altstadt während der Karwoche nahezu außer Gefecht gesetzt. Wenn ihr zum Flughafen oder Bahnhof müsst, plant genug Zeit ein und informiert euch rechtzeitig, wie ihr dorthin gelangt. Hotels sind wochenlang im Voraus ausgebucht und auch teurer als sonst, also rechtzeitig reservieren! Am besten ist es natürlich, wenn ihr euch ein Zimmer mit Balkon oder Fenster zu einer der Gassen sichert, in denen die Prozessionen vorbeiziehen. Von oben hat man den besten Blick und muss nicht im Gedränge stehen!
Semana Santa in Sevilla – Copyright: Manon Dolet |
2 Kommentare
unsermeating
17. Juni 2016 um 14:08Da kommen Erinnerungen bei mir hoch: ich war 2013 während der Semana Santa in Andalusien, u.a. auch in Sevilla unterwegs. Es ist wirklich eine beeindruckende Stimmung; gerade die Schweigeprozessionen nachts hatten etwas sehr sakral-unheimliches. Wo die Prozession vorbei zog, wurde es sofort still und alles was man hörte, waren Trommelschläge. Echt ein Erlebnis, so was mal zu sehen und mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen.
Lg, Miriam
Ela
20. Juni 2016 um 7:38Liebe Miriam, wow das klingt ja spannend! So eine Schweigeprozession habe ich leider nicht erlebt. Muss ich wohl nochmal nach Andalusien.. 😉 Danke für den Tipp!
Liebe Grüße,
Ela