Letztes Jahr war ich das erste Mal im Bayerischen Wald – obwohl ich in Bayern geboren und aufgewachsen bin und hier wieder seit vielen Jahren lebe. Was mich dort erwarten würde, konnte ich schwer abschätzen. Ich dachte natürlich an Wald und Natur. Immerhin gibt es dort einen Nationalpark! Neben der kulinarischen Entdeckungsreise habe ich also auch eine Wanderung am Großen Arbersee eingeplant.
Dort gibt es einen barrierearmen Wanderweg, was ich sehr spannend fand. Das wollte ich mir mit eigenen Augen ansehen! Nutzen ihn wirklich Menschen, die schlecht zu Fuß sind oder ist das Publikum das gleiche wie bei jedem anderen Wanderweg? Ich war sehr gespannt und wurde positiv überrascht!
Ich unternehme ja öfter Wanderausflüge und je nach Schwierigkeitsgrad trifft man sehr unterschiedliche Menschen auf Wanderwegen. Familien mit Kindern oder Profis mit toller Ausrüstung befinden sich oft nur abschnittsweise auf den gleichen Wegen. Wen ich aber beim Wandern eigentlich nie treffe, sind gehbehinderte Menschen oder Personen im Rollstuhl. Dabei kann man jeder Zielgruppe eine Wanderung ermöglichen, wie ich am Großen Arbersee gelernt habe!
Ich konnte mich davon überzeugen, dass ungewöhnlich viele Menschen dort unterwegs waren, die ich sonst beim Wandern nie treffe. Ich habe zwei Rollstuhlfahrer*innen gesehen sowie mehrere ältere Menschen, die nicht sehr trittsicher oder wandererfahren gewirkt haben. Sie waren tendentiell eher langsam unterwegs und auch kleine Steigungen empfanden sie offenbar als anstrengend. Andere Wanderwege können sie wahrscheinlich entweder gar nicht oder nur mit großer Anstrengung begehen. Ich finde den inklusiven Gedanken, der hier gelebt wird, richtig toll. Daran könnten sich andere Regionen ein Beispiel nehmen und barrierearme Wanderwege ausbauen. Denn grundsätzlich gibt es dafür durchaus Möglichkeiten.
Für barrierearme und barrierefreie Wanderwege sollten bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Ein Parkplatz in der Nähe, von dem aus man ohne Treppen zum Wanderweg gelangt.
- Der Wanderweg sollte offiziell als barrierearm oder barrierefrei beschildert sein, damit die Person nicht nach halber Strecke eine böse Überraschung erlebt und umkehren muss.
- Insgesamt sollte der Weg nicht zu lang sein, denn auch barrierearme Wege sind viele Besucher*innen mit hoher körperlicher Anstrengung verbunden.
- Kein steiler Anstieg, wenn Höhenmeter zu überwinden sind, sollte es eine sanfte Steigung geben (damit der Weg offiziell als “barrierefrei” gilt, darf er nicht mehr als sechs Prozent Steigung auf einer Länge von zehn Metern haben. Der Rundwanderweg am Arbersee ist “nur” barrierearm, weil er diese Voraussetzung an einer Stelle nicht erfüllt.)
- Der Weg muss breiter sein als gewöhnlich (mindestens 1,80 m) und trittsicher. Zu viele Wurzeln im Weg wären unpraktisch.
- Es sollte barrierefreie Toiletten am Start/Endpunkt der Wanderung geben.
Der Rundwanderweg am Großen Arbersee ist zum größten Teil mit einer Holzkonstruktion belegt, die man problemlos mit dem Rollstuhl fahren kann. Die Abschnitte ohne Holz sind breit und enthalten kaum Wurzeln oder Geäst. Sie wurden außerdem an den Seiten von Gestrüpp befreit. Der Weg ist 1,5 Kilometer lang.
Übrigens ist diese Rundwanderung nicht das einzige barrierearme Reiseangebot im Bayerischen Wald. Die Kampagne “Reisen für alle” nimmt sich speziell diesem Thema an.
Für Familien mit Kinderwagen oder Bollerwagen ist es ebenfalls eine schöne Strecke. Immer wieder sieht man kleine Halbinseln, die in den See hineinragen. Es gibt zu Beginn des Wanderwegs auch einen Bootsverleih für Tretboote. Im Arberseehaus sind ein Cafe und Toiletten vorhanden. Insgesamt eine tolle Infrastruktur!
Auch als Person ohne Gehbehinderung macht der Rundweg großen Spaß. Wer eine größere Herausforderung sucht, kann die Rundwanderung um den See mit einem Aufstieg zum Großen Arber verknüpfen (ca 11 km Länge – hier findet ihr die Tourenbeschreibung).
Der positive Nebeneffekt des Wanderwegs ist auch, dass man die Natur nicht zertrampelt. Wie ihr auf dem Bild oben sehen könnt, führen kleine Wasserläufe durch dichtes Gras. Die Natur bleibt so unberührter. Die “schwimmenden Inseln” fand ich wunderschön. Als ich im Spätsommer letzten Jahres dort war, erschien der Teppich auf dem See fast rot.
Es werden von Juli bis Ende September jeden Donnerstag geführte Wanderungen vom Naturpark Bayerischer Wald angeboten, bei denen man etwas über die außergewöhnliche Natur lernen kann. Immerhin befindet sich dort eines der wertvollsten Naturschutzgebiete Niederbayerns!
Insgesamt hat mir der Ausflug sehr gut gefallen. Ich finde es wichtig, dass die Natur für alle Menschen zugänglich ist. An vielen Orten kann eine Region das ohne großen Aufwand ermöglichen. Manchmal sind Rundwege oder Aktivitäten bereits barrierearm oder barrierefrei und müssen nur als solche beworben werden, damit die richtige Zielgruppe sie entdeckt.
Sollte ich dieses Jahr mit mehr Zeit im Gepäck in den Bayerischen Wald reisen, freue ich mich auf viele weitere spannende Wanderungen in der atemberaubenden Natur.
2 Kommentare
Andrea Zipperle
29. Mai 2020 um 20:33Liebe Ela,
Danke für deinen tollen Beitrag.
Da ich selbst auch immer auf der Suche bin nach Ausflugszielen die barrierefrei oder barrierearm sind freue ich mich sehr über deinen Tipp.
Eine Frage hätte ich noch : Gibt es in regelmäßigen Abständen Bänke für eine kurze Pause?
Vielen Dank.
Schöne Grüße,
Andrea
Ela
29. Mai 2020 um 20:53Liebe Andrea,
die Rundwanderung ist insgesamt nicht sehr lang aber es gibt am Anfang und bei einem Aussichtspunkt auf jeden Fall Bänke 🙂
Liebe Grüße,
Ela