Allgemeine Reisebeiträge/ Nachdenken

GASTFREUNDSCHAFT AUF REISEN

Was ist eigentlich Gastfreundschaft? Diese Frage habe ich mir letztens gestellt, als sie Thema in der Reisenacht bei Twitter war. So richtig definieren konnte ich den Begriff nicht. Gastfreundschaft hängt für mich zusammen mit einem freundlichen Empfang und dem Teilen von Gütern (ob das jetzt eine kostenlose Übernachtung ist oder eine Tasse Tee). Auf Wikipedia wird es definiert als “freundliche Gesinnung, die einem Besucher von seinem Gastfreund bei seiner Beherbergung, Bewirtung und Unterhaltung entgegengebracht wird.” Wie seht ihr das? Was gehört zur Gastfreundschaft dazu? Gibt es Gastfreundschaft auch bei bezahlten Begegnungen wie Airbnb oder einem gebuchten Guide?

May Kaidee

Gastfreundschaft – immer kostenlos?

Für mich persönlich war klar, einen herzlichen Empfang kann man nie voraussetzen. Egal ob es sich dabei um eine Begrüßung in einem Familienbetrieb, einer Airbnb Wohnung oder in einem Privathaus handelt, Gastfreundschaft ist ein Privileg. In manchen Kulturen gehört sie dazu, in anderen ist sie eher selten. Bei Nomadenvölkern beispielsweise ist sie ein wichtiger Bestandteil der Lebensweise, denn ohne einen Zwischenstop bei freundlich gesinnten Mitmenschen kann man in der kargen Landschaft die Reisen über lange Distanzen kaum überleben. In westlichen Gesellschaften ist sie bei Fremden leider immer seltener geworden, hier ist man nicht auf andere angewiesen. Trotzdem spielt Gastfreundschaft auch hier bei Familie und Freunden eine große Rolle.

Tibetischer Mönch in Nepal
Tibetischer Mönch in Nepal, der mir das Meditieren beibrachte

Beispiele, die in der Diskussion während der Reisenacht aufgetaucht sind, waren Airbnb vs. Couchsurfing, Mitfahrgelegenheit vs. Anhalter/Autostopp. Ich bin der Meinung, dass man auch bei bezahlten Diensten Gastfreundschaft erfahren kann. Wenn ich ein bezahltes Zimmer über Airbnb beziehe, gibt es große Unterschiede im Umgang der Gastgeber*Innen. Manche sind sehr herzlich, man darf die gesamte Wohnung mitbenutzen, bekommt sofort eine Tasse Tee oder Kaffee und die besten Insider-Tipps. Andere zeigen einem das Zimmer und man sieht sie danach während des Aufenthalts nicht mehr. Das gleiche gilt für Mitfahrgelegenheit – hier kann man gut unterscheiden zwischen reiner Dienstleistung gegen Geld und einem herzlichen Aufnehmen, zum Beispiel wenn man bis vor die Haustür gefahren wird oder während der Fahrt Süßigkeiten angeboten bekommt.

Ob Gastfreundschaft von Herzen kommt, merkt man allerdings nicht immer sofort, vor allem in fremden Kulturen. Jede*r von euch kennt wahrscheinlich die Situation, dass man mit einem Lächeln etwas angeboten bekommt, das ein Geschenk zu sein scheint, und dann wird im Nachhinein dafür Geld verlangt. Die Enttäuschung darüber, dass man die Situation falsch eingeschätzt hat und “getäuscht” wurde, schadet dem Ansehen einer Person oder einer Region, einem Volk oder einer Kultur. Im Gegensatz darüber verfällt man oft in ungläubiges Staunen wenn man bemerkt, dass wirklich keine Hintergedanken bestehen und man einfach auf absolut herzliche Menschen treffen kann.

Auf Reisen informiert man sich am besten vorab, welche Rolle Gastfreundschaft in jeweiligen Land oder der Religion seiner Bewohner*Innen spielt. Reiseführer thematisieren das, aber auch online findet man gute Informationen dazu. An besonders touristischen Orten oder Sehenswürdigkeiten bin ich generell etwas skeptischer als in abgelegenen Regionen, mit dieser Faustregel bin ich bisher gut durchgekommen. Von meinen Erfahrungen mit Gastfreundschaft möchte ich euch aber heute noch ein bisschen persönlicher erzählen…

Gastfreundschaft – meine Erfahrungen in Asien

Nepal war das gastfreundlichste Land, das ich in meinem Leben bereist habe. Egal ob es darum ging, ohne Straßenschilder das richtige Hotel in den winzigen Gassen Kathmandus zu finden oder den Bus in einem Dorf, in dem niemand Englisch spricht – immer waren hilfsbereite Nepalis zur Stelle. Nach einer langen Wanderung am Annapurna-Gebirge bei Pokhara bat eine ältere Frau meine Begleitung und mich in ihr Haus als sie uns vorbeilaufen sah, servierte Tee und hatte ein herzliches Lächeln im Gesicht.

Maya in Nepal
Maya in Nepal

Dort, wo kaum Europäer*Innen vorbeikommen, ist eine große blonde Frau natürlich eine kuriose Attraktion, die man sich gern genauer anschaut. Die Menschen in Nepal haben mich in den vier Wochen, die ich dort gereist bin, insgesamt sehr beeindruckt. Gastfreundschaft ist hier ein wichtiges kulturelles Gut. Man kommt schnell mit Einheimischen ins Gespräch, egal ob das im Bus ist oder im Restaurant, hier wird immer gern geredet und gelacht. An diese Art, Fremden gegenüber freundlich gesinnt zu sein, gewöhnt man sich schnell – nach meiner Heimreise hatte ich einen regelrechten Kulturschock im unfreundlichen Wien…

Haus am Annapurna Gebirge in Nepal
Haus am Annapurna Gebirge in Nepal

Auch die Menschen in Thailand habe ich als sehr hilfsbereit und freundlich erlebt – natürlich sind einige Geschäftstüchtige darunter, gerade in den Touristenzentren. Das finde ich aber normal, wenn in einem Land der Tourismus eine der wichtigsten Einkommensquellen ist. Als der Beste und ich in einen abgelegenen Nationalpark reisen wollten, waren wir auf die Hilfsbereitschaft der Menschen angewiesen. Keine öffentlichen Verkehrsmittel fuhren dorthin – also sind wir per Anhalter gefahren. Der Manager einer Bananenfabrik hat uns aufgegabelt und bis in den Nationalpark zum Guesthouse gefahren, obwohl seine Mittagspause eigentlich schon vorbei war. Er fand es so kurios, dass wir in dieser abgelegenen Region allein unterwegs waren, dass er uns wohlbehalten ankommen lassen wollte.

Guesthouse in Kui Buri
Guesthouse in Kui Buri

Die Herzlichkeit der Thais hat mich nachhaltig beeindruckt. Im Theravada-Buddhismus (der Hauptreligion Thailands) spielt Nibbana eine wichtige Rolle. Damit ist gemeint, schlechte Angewohnheiten wie Egoismus oder Gier zu überwinden, um bei der Reinkarnation nicht in einer schlechten Position geboren zu werden. Karma spielt hier auch eine wichtige Rolle. Es ist also tief im Glauben der Thais verankert, anderen Menschen nicht zu schaden und das merkt man unmittelbar in der Gesellschaft.

Frau im Wat Pho Tempel, Bangkok
Frau im Wat Pho Tempel, Bangkok

Den malaysischen Teil Borneos habe ich als sehr “westlich” empfunden, Smartphones und SUVs waren dort bereits 2012 allgegenwärtig. Als Touristen haben wir uns dort häufig eher fehl am Platz gefühlt, geradezu lästig. Selbst als wir Flugtickets kaufen wollten oder ein Zimmer mieten, schlug uns offenkundige Ablehnung und Genervtheit entgegen. Das lag mit Sicherheit auch daran, dass gerade Ramadan war und die Menschen bei 35 Grad nichts trinken und essen durften – zu einer anderen Zeit hätten die Malays dort sicher bessere Laune gehabt. Aber uns schlug vier Wochen lang größtenteils Ablehnung entgegen, die uns nahezu an den Rand der Verzweiflung trieb (unsere Horrorerfahrungen auf Borneo könnt ihr hier nachlesen).

Mangrovenwald im Bako Nationalpark, Borneo
Mangrovenwald im Bako Nationalpark, Borneo

Doch es gibt überall gastfreundliche Menschen – das darf man nicht vergessen. Nachdem wir bei unzähligen Banken in Miri vergeblich versucht hatten, unsere (nutzlosen) traveller checks einzulösen, hatte eine Frau dort Mitleid mit uns und fuhr uns in ihrem Auto von einer Bank zur anderen. Sie diskutierte mit den Mitarbeitern, bis wir schließlich Geld abheben konnten. Danach lud sie uns zum Essen ein in ein tolles vegetarisches Lokal, das wir als Touris niemals gefunden hätten und ging mit uns am nächsten Tag sogar noch zu einem Markt, wo sie uns die lokalen Gemüsesorten erklärte. Diese Freundlichkeit hat uns nach all den schlechten Erfahrungen tief berührt.

Kinder am Strand in Kinarut, Borneo
Kinder am Strand in Kinarut, Borneo

Gastfreundschaft – mein Fazit

Es gibt sie überall – egal welches Land, welche Religion, welches Alter oder Geschlecht. Menschen, die einfach selbstlos und herzlich sind, die anderen gern helfen ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Ob das ein Tee ist der Geheimtipp für das beste Tapas-Lokal der Stadt – ich bin dankbar für wunderbare Erlebnisse, die ich dank der Gastfreundschaft meiner Mitmenschen hatte. Das bedeutet für mich aber auch, dass ich versuche, gastfreundlich und hilfsbereit zu sein. Ich möchte in einer Welt leben, in der die Menschen einander Gutes tun und dazu muss auch ich meinen Teil beitragen.

Koh Phayam, Thailand

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