Heute möchte ich mal eine wichtige Sache ansprechen, die mir zu Denken gibt – Gentrifizierung ist ja in jeder größeren Stadt ein Problem, eine Wohnung in Berlin Kreuzberg kann man sich heute nicht mehr so einfach leisten, oder im 8. Bezirk in Wien, im Glockenbachviertel in München… Von Städten wie New York oder Paris brauchen wir gar nicht erst anfangen. Kaum gehen Student*Innen und Künstler*Innen in ein zuvor unbeliebtes Viertel und machen was draus, ziehen auch große Hotelketten oder Franchise-Ketten nach und sorgen dafür, dass Mieten steigen, alteingesessene Bewohner*Innen vertrieben werden und man statt netten kleinen Cafes und Kultureinrichtungen plötzlich bloss noch Fast Food und Touristen im Viertel findet.
Auf das Thema gekommen bin ich durch einen Kommentar einer langjährigen Leserin, die mich auf das Beispiel Empire Riverside und St. Pauli aufmerksam gemacht hat – dazu gibt es eine spannende Doku, die das Thema erklärt. Da stellt sich nämlich die Frage, ob die Gentrifizierung ohne Tourismus überhaupt so rasant verlaufen würde? Denn Touristen möchten ja nicht nur die üblichen Sehenswürdigkeiten abklappern, sondern im In-Viertel möglichst nah am Zentrum übernachten und das “echte” New York, Hamburg oder Wien kennenlernen. Eben dort, wo die Einheimischen sich am liebsten aufhalten.
Kann man das als Tourist überhaupt verhindern? Gibt es “gute” und “schlechte” Hotels, Cafes und Shops? In Hamburg ist das wirklich ein Brennpunkt-Thema, sieht man doch in der Schanze immer wieder eingeschlagene Fensterscheiben von Geschäften, die einigen zu hip sind und das Viertel teuer machen.. Als auswärtige*r Besucher*In einer Stadt weiß man aber natürlich nicht unbedingt, welche Konflikte dort ausgetragen werden. Vielleicht bekommt man es nicht mal mit, wenn man nur ein paar Tage dort verbringt.
Hotel 25hours in Wien |
Was ist eigentlich Gentrifizierung?
Gemeint ist die Aufwertung eines Stadtbezirks und infolge dessen seine Verteuerung (Mietpreise für Wohnungen und Läden, teurere Restaurants und Cafes). Durch die Sanierung alter Häuser steigen die Mieten, die alteingesessenen (oft einkommensschwachen) Bewohner*Innen müssen ausziehen und neue Personen mit höherem Einkommen ziehen ein.
Die wiederum können es sich auch leisten, einen 8 Euro Kaffee im umweltfeindlichen Plastikbecher zu kaufen, so dass immer mehr teure Geschäfte in den Bezirk kommen. Aus einem Künstler*Innen- und Student*Innenviertel wird dann schnell ein Bezirk, wo man einer gewissen Einkommensklasse angehören muss, um dort wohnen zu können – oder man ist nur zu Besuch und deshalb bereit, etwas mehr auszugeben.
Hutmacher Laden in Berlin Neukölln |
Soziale (Un)Gerechtigkeit – ist der Tourismus schuld?
Jetzt mal Klartext. Ja, der Tourismus trägt seinen Teil zur Gentrifizierung bei. Aber er ist nicht allein Schuld daran, wenn ein Viertel teuer wird. Wichtige Faktoren sind Immobilienspekulation (nicht nur bei Gewerbe- sondern auch Privatimmobilien), soziale Ungerechtigkeit, mangelnder staatlich geförderter Wohnraum in Städten und nicht zuletzt die Menschen, die das kapitalistische System bevorzugt. Die von ihrem Gehalt überhaupt erst einen 8 Euro Kaffee bezahlen können (und wollen). Darunter sind wahrscheinlich eher keine Kindergärtner*Innen, Krankenpfleger*Innen oder Flüchtlingshelfer*Innen.
Diese Menschen ziehen weiter, ins nächste Viertel… Das wiederum gentrifiziert wird, früher oder später – da sich in jeder Stadt das Zentrum verteuert und ausdehnt. Es ist ein Kreislauf, der auch mit weniger Hotels nicht gestoppt werden könnte.
Was ist die Lösung?
Da brauche ich eure Hilfe! Ein paar Ideen habe ich und setze sie um, beispielsweise finde ich das System von AirBNB oder Couchsurfing klasse und nutze es seit vielen Jahren. Allerdings mit Einschränkung – es gibt Menschen, die mieten Wohnungen und vermieten sie für das Doppelte auf AirBNB, ohne je selbst dort gelebt zu haben. Das ist strafbar und unfair. So etwas unterstütze ich nicht.
Ich wohne über AirBNB bei Menschen, die gerade im Urlaub sind und die Miete so wieder reinbekommen, oder die ein Zimmer in ihrer Wohnung vermieten, weil sie sich die Miete sonst nicht mehr leisten könnten oder einfach gern neue Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen wollen.
Madrid |
Ich wohne aber auch gern mal in Luxushotels oder gemütlichen kleinen Pensionen, in Almhütten oder Bambushäusern am Strand. Aber eben nicht nur in einer Kategorie… Man sieht eine Stadt, eine Region oder ein Land mit anderen Augen, je nachdem wie man dort wohnt. Mir macht es Spaß, mal ein oder zwei Nächte in einem Luxushotel zu verbringen, über die Aussicht zu staunen und den Platz zu genießen. Aber ich übernachte auch für einen Bruchteil des Preises mit fremden Leuten in einem stickigen Schlafsaal, in heruntergekommenen Bambushütten auf einer abgelegenen Insel, in einem kleinen Hotel in der Innenstadt mit nur 15 Zimmern oder sonstwo – worauf ich eben Lust habe und was mein Budget zulässt.
Tourismus ist nicht per se schlecht. Viele Länder oder Städte leben davon, dass Menschen zu ihnen kommen und sich die Gegend ansehen wollen. Tourismus ist eine Einkommensquelle und muss nicht unbedingt mit Ausbeutung einhergehen oder mit der Gentrifizierung eines Stadtbezirkes. Es ist leicht, sich einen Schuldenbock zu suchen, auf den man mit dem Finger zeigen und sagen kann – da, der verdammte Bioladen! Kann sich doch keiner leisten, früher war da drin meine Lieblingskneipe, in die ich seit zwanzig Jahren gegangen bin!Der Bioladen bezieht aber wiederum seine Produkte aus biologischem oder sogar fairem Anbau und bezahlt seine Mitarbeiter*Innen vielleicht (hoffentlich) auch besser als die Kneipe.
Museumsquartier Wien |
Städte werden sich immer verändern. Und wir müssen daraus unsere Konsequenzen ziehen. Ja, es gab eine Zeit da hat jede*r Student*in in der Innenstadt gewohnt, neben dem Supermarkt und der Lieblingsbar. Aber wenn alle im Zentrum wohnen wollen, egal ob Student*in, Familie mit drei Kindern oder alleinstehende Geschäftsfrau, kann das halt nicht mehr funktionieren.. Wir ärgern uns, weil wir zurückstecken müssen – aber das liegt nicht (nur) an den Touristen und Bioläden. Angebot und Nachfrage sind ein komplexes System, das sich nicht mit einem Hotel als Sündenbock erklären lässt.
Ich bin nicht dafür, grundsätzlich Besucher*Innen meines Wohnortes wegzuwünschen. Egal ob sie in einem Sternehotel oder über AirBNB in der Nachbarwohnung wohnen. Wie schon mal so treffend in einem Kommentar zum Thema Touristenhass in der Zeit stand:
“Diese nach außen gerichtete, provinzielle Aggression, das Abschotten, das Zumauern, das Wir-bleiben-lieber-unter-uns zählt zu den scheußlichsten Formen deutscher Frustrationsbewältigung.”
Wohngebiet in Porto, Portugal |
Das gilt nicht nur für Touristen sondern auch für Flüchtlinge. Ich möchte niemand sagen – du gehörst hier nicht her, weil du mein Viertel teurer machst, mich Geld kostest, weil du mir die Wohnung wegnimmst oder dergleichen. Und auch wenn die Kritik am Luxushotel im Lieblingskiez sicherlich berechtigt ist, sollten dahinter als Feindbild nicht die Menschen stehen, die sich für deine Heimat interessieren (oder dort Schutz suchen). Natürlich unterstützt man mit einem Aufenthalt in einem teuren Hotel, dass weitere teure Hotels dort gebaut werden oder zumindest dieses eine rentabel läuft. Aber die böse Absicht, jemanden aus seinem Lieblingsbezirk vergraulen zu wollen, würde ich nicht unterstellen. Ich sehe es in der Verantwortung der Stadt und der Politik, auch günstigen Wohnraum für Menschen mit wenig(er) Einkommen zu schaffen sowie Orte für Kultur und Begegnung.
Soweit meine Gedanken zu diesem Thema. Über einen Austausch würde ich mich sehr freuen und bin natürlich weiterhin offen für Kritik und Anregungen!
Salzburg |
10 Kommentare
Mad B
12. November 2015 um 10:37Danke für den Betrag. Tatsächlich habe ich auch schon lange nachgedacht, darüber mal etwas zu schreiben. Auslöser war, als unser einstiges Büro in einer AirBnB-Wohnung umfunktioniert wurde. Dieses Prinzip, vermieten, wenn ich selbst nicht in der Wohnung lebe, hat sich leider in den letzten Jahren immer mehr in eine Richtung entwickelt, wo wichtiger Wohnraum in den attraktiven Innenstädten zu ausschließlich Ferienwohnungen umfunktioniert wurde. Ich denke, dass der Tourismus natürlich einen Teil mit beiträgt, aber nicht ausschließlich und allein der Übeltäter ist – siehe Prenzlauer Berg, da waren es anfänglich nicht die Touristen, die den Bezirk gentrifiziert haben. LG, Mad
Ela
12. November 2015 um 10:52Hey Mad, danke für dein schnelles Feedback und deine Erfahrungen mit dem Thema. AirBNB ist echt so eine Sache, es kann total super sein oder auch viel kaputt machen… =/ Das kommt halt immer drauf an, was die Menschen daraus machen. An für sich bietet AirBNB ja echt eine super Plattform – habe es mit meinem Freund ein Jahr lang gemacht und ein Zimmer in unserer Wohnung vermietet, das war eine tolle Erfahrung, wenn auch oft anstrengend. Aber die ganze Wohnung dauerhaft vermieten wäre für uns aus verschiedenen Gründen nicht in Frage gekommen, auch wenn das in München sehr rentabel gewesen wäre.
Das Prenzlauer Berg Beispiel hatte ich auch im Kopf – erst die Künstler, dann die Reichen. Hatte mit Tourismus wirklich nichts zu tun.. Und auch heute sieht man da mehr Kinderwagen-Mamis als Touristen, wage ich zu behaupen 😉
Liebe Grüße,
Ela
Sarah Se
12. November 2015 um 10:58Liebe Ela,
danke für deinen tollen Artikel, der mich wirklich zum Nachdenken anregt. Die Beispiele St. Pauli und Sternschanze in Hamburg könnten die Problematik für mich als Hamburgerin nicht treffender beschreiben.
Diese Stadtteile sind sowohl bei Einheimischen, als auch bei Touristen sehr beliebt und viele Leute wollen da natürlich Profit rausschlagen. Immer mehr Markenstores und Restaurantketten eröffnen dort, wo es einst noch etwas authentischer zuging.
Und die Mieten steigen ins Unermessliche. Es ist mittlerweile für Normalverdiener fast unmöglich geworden dort eine halbwegs bezahlbare Wohnung zu finden. Ich gebe es zu, ich würde auch gerne in der Sternschanze wohnen,
bin aber einfach nicht bereit über die Hälfte meines Gehalts für die Miete auszugeben. Stattdessen bin ich auf einen anderen Stadtteil (Hamm) ausgewichen. Dieser Stadtteil befindet sich auf der anderen Seite der Alster und ist auch nicht weit weg vom Zentrum.
Als ich dort vor über vier Jahren hingezogen bin, konnte man dort für einen Spottpreis wohnen. Das zog viele junge Leute an und mittlerweile gibt es dort auch eine Vielzahl an kleinen Cafés, in denen man es sich gutgehen lassen kann.
Dass Hamm nun im Kommen ist, haben allerdings auch viele Vermietungsgesellschaften bemerkt und so steigen nun selbst in einem nicht so hippen Stadtteil die Preise stetig an.
Bei einer kurzen Internetrecherche konnte ich spontan keine Wohnung finden, weil die Mieten einfach unangemessen waren. Was mich zum Grübeln bringt. Wo soll ich wohnen, wenn ich mich mal vergrößern möchte?!
Vor Unterkünften im Urlaub macht die Gentrifizierung natürlich auch nicht halt. Ich unternehme supergerne Städtetrips, finde es aber teilweise sehr schwer eine bezahlbare Unterkunft zu finden. In Städten, wie London und Paris fand ich das besonders schwer.
AirBNB ist da auf jeden Fall eine tolle Option, die sich aufgetan hat. Bei vielen Angeboten finde ich die Preise allerdings dreist. Wenn ich merke, dass bei der Vermietung in erster Linie der Profitgedanke steht, sortiere ich diese meistens aus.
Das sind so spontan meine Gedanken zu diesem Thema.
LG Sarah
Ela
12. November 2015 um 14:58Liebe Sarah, ich glaube auch, dass die Mieten in den Städten immer weiter steigen werden. Und dass immer mehr Stadtteie betroffen sein werden.. Auf Dauer sehe ich da leider auch keine Lösung. Immer mehr Menschen möchten in Städten leben.
Bei airbnb handhabe ich es wie du – wer offensichtlich nur Geld machen will kommt nicht in meine nähere Auswahl.
Liebe Grüße, Ela
Melli
12. November 2015 um 12:55du hast natürlich Recht, wenn du sagst Tourismus ist nicht der einzige Faktor bei Gentrifizierung er trägt aber durchaus dazu bei genauso auch wie Blogger (und da gehöre ich genauso zu) die über bestimmte Regionen oder Stadtteile schreiben
Ich habe mal bei einem Blogger gelesen (er war in Thailand) wie schade er es fand, dass der schöne Strand wo er noch vor zwei Jahren war jetzt mit einem Luxusressort zugebaut wird. Damals hatte er auch einen Artikel über die Insel geschrieben und wie toll dieser Strand ist.
Touristen bringen nunmal Geld mit und wo Geld ist wittern Unternehmen Profit, so funktioniert Kapitalismus. Und gerade was Mietpreise angeht spielt ja auch die Lage eine große Rolle und die wird eben auch durch die Beliebtheit eines Bezirks beeinflusst.
Ela
12. November 2015 um 14:55Danke Melli, echt spannend verschiedene Ansichten zum Thema zu lesen! Du hast natürlich Recht – wenn wir als Blogger eine Stadt, ein Hotel oder einen bestimmten Strand empfehlen, kann das große Auswirkungen haben. Dessen müssen wir uns schon bewusst sein.
Manchmal werden Bezirke oder Orte aber eben auch durch andere Faktoren beliebt, unabhängig vom Tourismus, der dann eher Nachzügler ist. Trotzdem stellt sich dann die Frage ob man einen Hype unterstützen will oder was man anders machen kann/soll… 🙁
Liebe Grüße, Ela
Robert B. Fishman
13. November 2015 um 11:39Liebe Michaela, sehr gut, Dein Artikel. In den 70er und 80er Jahren habe ich Gentrifizierung in München erlebt. Es lief genau so, wie Du es beschreibst und es wiederholt sich nach dem immer gleichen Muster in vielen Städten. Beispiele kenne ich aus Marseille, Riga, Barcelona, Berlin, Hamburg (wie Du es hier beschreibst) und vielen weiteren. Touristen fördern – gewollt oder nicht – diesen Prozess. Was können wir als Reisende tun? Vielleicht die kleinen Kiez-Läden unterstützen, in dem wir dort einkaufen, über sie berichten und sie so stärken, ebenso lokal verwurzelte Cafés, Restaurants, Pensionen etc.. AirBNB, wimdu und Co. nutze ich auch, aber stets mit einem unguten Gefühl, weil ich als Feriengast die Wohnungen dem regulären Mietmarkt entziehe. Mit Kurzzeit-Vermietung machen die Besitzer erheblich mehr Geld, als wenn sie ihre Wohnungen fest vermieten.
In meinen Städtereportagen berichte ich möglichst auch immer über Menschen, die versuchen, die Gentrifizierung zu bremsen, sich ihr entgegenstellen und Alternativen aufzeigen. Vielleicht hilft das ein wenig
Ela
13. November 2015 um 12:10Danke Robert! Ich glaube auch, dass inzwischen fast jede größere Stadt davon betroffen ist und dass die Ursachen eben vielfältig sind. Danke für deine Ideen zum Thema, wie wir uns als Touristen oder Reiseblogger verhalten können! Kleine Cafes oder Pensionen finde ich grundsätzlich auch immer super – Starbucks, McDoof & Co besuche ich grundsätzlich nie, egal wo 🙂 Bei AirBNB wohne ich wie oben erwähnt nur in Wohnungen, in denen ein Zimmer untervermietet wird und nicht die gesamte Wohnung – so unterstütze ich Menschen die sich eine Whg im Zentrum sonst nicht leisten könnten, hoffe ich. So genau weiss man es aber natürlich nie..
Deine Idee unterschiedliche Blickwinkel in den Städtereportagen zu zeigen finde ich super. Werd gleich mal nachlesen, wie du das angehst 🙂
Liebe Grüße,
Ela
Eva G.
16. November 2015 um 12:06Spannendes Thema, ich hab deinen Beitrag auch gleich geteilt. Solche Aussagen zu Pauschalisieren ist viel zu einfach. Es gibt nicht den einen Schuldigen und nur Schwarz-weiß-Denke. Ich bin da ganz bei Dir, Städte verändern sich, Menschen verändern sich und wir alle sind Gewohnheitstiere, haben immer Angst vor dem neuen, unbekannten … aber das bringt neben Risiken auch wieder neue Chancen. Ich ärgere mich auch oft was aus Vierteln wurde und alles nur noch kommerzieller Einheitsbrei ist, aber es gibt immer wieder auch Ansätze die dem die Stirn bieten und es ist wichtig, das auch zu unterstützen, nicht nur meckern!
Ela
16. November 2015 um 13:08Danke für dein Feedback Eva! Hast du bestimmte Projekte oder Beispiele im Kopf? Und wie handhabst du es beim Reisen – Hotel, Pension, Airbnb? 🙂
Liebe Grüße und vielen Dank nochmal fürs Teilen,
Ela